Am 15. März 1951 wird das Auswärtige Amt nach dem Zweiten Weltkrieg in Bonn wiedergegründet, 2019.

Auswärtiges Amt

seit 1955

Als einer der ersten Bundesneubauten entsteht 1953 bis 1955 das Gebäude des Auswärtige Amts, das hier bis 1999 seinen Sitz hat. Nach dem Regierungsumzug nach Berlin bleibt hier sein zweiter Dienstort in Bonn. Einen Teil der Anlage nutzt das Bundesamt für Justiz.

Für das Time Magazine ist Bundeskanzler Konrad Adenauer der Mann des Jahres 1953. Am 4. Januar 1954 zeigt es auf dem Titel das Porträt des deutschen Bundeskanzlers vor einem abgebrochenen schwarz-rot-goldenen Baumstumpf: daraus wächst zartes Grün. Die Bildunterschrift: „Ein neues Mitglied im Kreis der großen Mächte“.

Schwarzweiß-Luftaufnahme mit Blick auf den Norden des Stadtteils Bonn-Gronau, den Rhein und das Auswärtige Amt
Das Auswärtige Amt in Bonn liegt am Rheinufer im Norden des Ortsteils Gronau.

Bedeutende Männer prägen die deutsche Außenpolitik: Konrad Adenauer etwa, der in den Anfangsjahren nicht nur Bundeskanzler, sondern auch Außenminister ist, oder später Willy Brandt, der diese Ämter nacheinander bekleidet, erst als Außenminister und dann als Kanzler. Im Schatten dieser prominenten Figuren stehen oftmals die anderen außenpolitischen Akteure – die Staatssekretäre und Botschafter, Referenten und Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses im Parlament.

Als die Bundesrepublik Deutschland nach der „Kleinen Revision“ des Besatzungsstatuts im März 1951 mit dem Aufbau eines eigenen Auswärtigen Amts und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu ausländischen Staaten beginnen darf, ist im Kanzleramt beispielsweise der Jurist Walter Hallstein als Staatssekretär mit außenpolitischen Belangen befasst. Er wird bis 1958 der erste Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

Außenminister Hans-Dietrich Genscher (Mitte) schaut in die Kamera bei der ersten Runde der "Zwei-plus-Vier"-Gespräche im Weltsaal des Auswärtigen Amts am 5. Mai 1990. Zu hören ist er unmittelbar nach diesen Gesprächen.

Hallstein treibt in diesen Jahren den deutschen Weg in Richtung Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, den Vorläufern der Europäischen Union, oder die Annäherung an Israel voran. Ab 1955 beeinflusst ein Konzept, das vom Leiter der Politischen Abteilung Wilhelm Grewe stammt, von Journalisten aber „Hallstein-Doktrin“ getauft wird, eine ganze Ära der Deutschlandpolitik: Mit Ausnahme der Sowjetunion, die Adenauer im September 1955 besucht hat, sanktioniert die Bundesrepublik bis Ende der 1960er Jahre jeden Staat, der die „Deutsche Demokratische Republik“ anerkennt, die 1949 in der sowjetischen Besatzungszone gegründet wurde. Die Bundesrepublik hat den Anspruch, die alleinige Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches zu sein und die deutschen Interessen zu vertreten.

Die Herausforderungen des neugegründeten Auswärtigen Amts sind nicht gering: Es soll das verlorene Vertrauen der Welt in Deutschland wiederherstellen und den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik untermauern. Zunächst stellen sich zudem ganz praktische Fragen: Wie lässt sich der anfänglichen Verteilung der Dienststellen auf bis zu 20 Privat- und Bürohäuser in Bonn und Bad Godesberg ein Ende bereiten?

Die Lösung ist ein ebenso großer wie karger neungeschossiger Bau mit gläsernem Treppenhaus und genau 1112 Fenstern. Er liegt in der Nähe des Kanzleramts, ist über die „Diplomatenrennbahn“ an das feine Bad Godesberg angebunden, wo sich viele Botschaften befinden. Und „der Nutzwert dieser Gebäudeanlage wird ihr über ihren jetzigen Bestimmungszweck hinaus bleibende Anziehungskraft verleihen.“ Das jedenfalls prophezeit nach der Vollendung des Baus im September 1955 die Zeitschrift Die Bauverwaltung.

Grün angelaufenes Schild des Auswärtigen Amts in Bonn
Heute ist das Gebäude an der Adenauerallee in Bonn der Zweitsitz des Auswärtigen Amts, 2005.

Ein schwieriger Balanceakt ist in den Anfangsjahren der deutschen Außenpolitik die Rekrutierung des Personals. „Manche Spitzenpositionen“, schreibt der Diplomat Ulrich Sahm in seinen Erinnerungen, besetzen Diplomaten, die bereits für das „Dritte Reich“ tätig waren. „Entweder hatten sie sich bewußt oder gedankenlos zu tief in das widerliche Geschehen verstrickt, oder das ohnmächtige Bemühen, trotzdem anständig zu bleiben, hat sie ihre Kraft gekostet.“ Auf eine Artikelserie in der Frankfurter Rundschau hin beschäftigt sich 1951/52 ein Untersuchungsausschuss des Bundestags mit diesem Problem. Aber selbst der Architekt des neuen Amts, Hans Freese, hat eine heikle Biografie – der Professor war einst für Hitlers Architekten Albert Speer tätig, den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin, und sollte unter anderem Speers Privathaus errichten.

Schwarzweiß-Fotografie, Blick auf den Weltsaal im Auswärtigen Amt in Bonn bei den "Zwei-Plus-Vier"-Gesprächen, mittig ein runder Tisch mit Delegierten, dahinter ein großes Wandbild mit aufgemalter Weltkarte, links eine große Fensterfront.
Die erste Verhandlungsrunde der Zwei-plus-Vier-Gespräche findet am 5. Mai 1990 in Bonn statt.

Die Politik der Westintegration und Versöhnung in der Ära Adenauer, die neue Ost- und Entspannungspolitik Brandts und Scheels, die Diplomatie Hans-Dietrich Genschers in der deutschen Frage 1989/90 sowie bei der europäischen Integration bis zum Abschluss des Maastrichter Vertrags 1992 – sie zeugen dann doch von einem neuen, anderen Deutschland. Im „Weltsaal“ des Auswärtigen Amts findet 1990 eine Runde der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen mit den Siegern des Zweiten Weltkrieges über die „äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit“ statt, mit denen Deutschland völkerrechtlich vollends souverän wird.

Seit dem Berlin-Umzug des Auswärtigen Amts ist das Gebäude in Bonn dessen zweiter Dienstsitz. Ein Teil der Anlage beherbergt seit 2007 das neugegründete Bundesamt für Justiz.

Dieser Ort ist Teil des Rundgangs Weg der Demokratie sowie der Architektur-Tour und der Tour Bonn international.

Wussten Sie schon ...

… dass sich die Diplomaten in dem Gebäude mit einem Paternoster von Etage zu Etage bewegten?